Vielfalt der Rebsorten

Veröffentlicht am Donnerstag, 14. Apr 2022

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Sonderausstellung
vom 24. April bis 30. Oktober 2022

Die Bielerseeregion ist für den Anbau von Gutedel/Chasselas bekannt.
Während rund 100 Jahren wurde in unserer Region hauptsächlich diese einheimische Rebsorte kultiviert.
Heute umfasst der Sortenkatalog der Rebgesellschaft Bielersee mehr als 70 weisse und rote Rebsorten.

Das Aufkommen des Echten und Falschen Mehltaus sowie das Einschleppen der Reblaus Ende des 19. Jahrhunderts führten dazu, dass nur noch auf amerikanische Unterlagen aufgepropfte Rebstöcke angesetzt werden durften. Die in den Rebschulen und Versuchsanstalten gezogenen Rebstöcke zeigten eine hohe natürliche Resistenz gegenüber dem Schädling und den Rebkrankeiten. Alte wurzelechte Rebsorten (weiterhin) anzubauen war verboten, der Rebsortenbestand veränderte sich vollständig.

Erst das 1996 in Kraft gesetzte Bernische Rebbaugesetz überlies dem Winzer die (fast) freie Sortenwahl. Trotzdem bleiben Chasselas und Pinot noir weiterhin die Hauptsorten am Bielersee mit rund 2/3 Drittel der Anbaufläche von rund 220 ha. Und obwohl in der Zwischenzeit der Pinot noir die grösste Fläche beansprucht, gibt es mit 54% mehr Weiss- als Rotweinparzellen in unserer Region.

Heute verfügt jeder Weinproduzent über eine Vielzahl von Traubensorten und das Weinangebot jedes Winzers ist vielfältig geworden. Es werden sowohl alte, aus anderen Weinländern bekannte Sorten, wie auch Neuzüchtungen neu in unserer Region angepflanzt. Bei den neuen Sorten handelt es sich oft um interspezifische oder pilzwiderstandsfähige Hybride. Gegenüber Pilzkrankheiten resistente Sorten sind in der Schweiz besonders gefragt. PIWI-Sorten haben aber oft ein anderes Aroma als die traditionellen Vitis vinifera-Rebsorten und setzen sich deshalb nur langsam durch. Trotzdem wird sich der Anteil noch erhöhen: viele Betriebe stellen zur Zeit auf biologischen Anbau um und wählen bei Neuanpflanzungen Sorten, die möglichst wenig Spritzmittel zum Schutz benötigen.

Sortenkatalog

Der sog. Sortenkatalog der Rebgesellschaft Bielersee umfasst 70 Traubensorten, davon sind 30 weisse und 40 rote Sorten aufgeführt. Von diesen im Sortenkatalog aufgeführten Cépages sind 13 Sorten empfohlen, 57 weitere Sorten erlaubt. Damit sind nur Rebsorten und nicht Weine gemeint. Aus einer einzigen Traubensorte können ja im Keller verschiedenste und vielfältige Weine vinifiziert werden: Süssdrucke, im Barrique gereifte Weine, sortenreine Weine und Assemblagen – die Möglichkeiten sind vielfältig.

Gemäss José Vouillamoz (Schweizer Rebsorten, 2018) werden in der Schweiz mindestens 252 Rebsorten angebaut, 168 unter der kontrollierten Ursprungsbezeichnung AOC. Weltweit existieren aber bis 10000 Rebsorten, manche Schätzungen gehen bis zu 20000 Sorten, inkl. rund 5000 Hybride. Klone, also genetisch identische Sorten, sind hier nicht mitgezählt.

Ampelografie

Rebsorten werden nicht über den Wein, sondern über die Beschreibung des Weinstocks bestimmt. Diese Wissenschaft ist die Ampelografie (von griechisch ámpelos = Weinstock und gráphein = schreiben). Die Rebstöcke werden verglichen, Form und Farbe der Blätter, Trauben und Beeren beschrieben.

Die wichtigsten Kriterien zur Unterscheidung sind:

  • Die Herkunft
  • Die Form der Trauben
  • Die Form der Beeren
  • Die Farbe der Beeren
  • Die Grösse der Beeren
  • Spezielles Aroma
  • Auffallende Formen und Farbe der Blätter
  • Die Farbe des Rebholzes

Seit jeher versuchten Biologen die Rebsorten zu unterscheiden. Dank intensiven Studien wurden Ihre Werke immer wissenschaftlicher und genauer, ihre zum Teil wunderbar illustrierten Bücher immer umfassender. Und effektiv kann die Mehrheit der Rebsorten durch diese Methode der genauen Beobachtung und Beschreibung voneinander unterschieden werden. Es kann allerdings sein, dass trotz geschultem Auge, sehr nah verwandte Rebsorten schwer zu unterscheiden sind.

DNA

Seit den 1980er Jahren werden deshalb auch Nukleinsäure-Sequenzen zur Bestimmung der Traubensorte eingesetzt. So erhält jede Rebsorte ein einzigartiges genetisches Profil. Diese DNA-Tests erlauben es nicht nur, eine Rebsorte zweifelsfrei zu erkennen, sondern auch Verwandtschaften zwischen den Rebsorten und Stammbäume der Rebsorten zu rekonstruieren. Frühes und berühmtestes Beispiel ist wohl die Kreuzung Müller-Thurgau, die lange fälschlicherweise unter RieslingxSylvaner bekannt war, in Tat und Wahrheit aber eine Kreuzung von RieslingxMadeleine Royale ist. Die Rebsorte wird heute korrekterweise Müller-Thurgau (nach dem Züchter Hermann Müller aus dem Kt. Thurgau), genannt. Es handelt sich gemäss Wikipedia weltweit um die wohl erfolgreichste Weissweinneuzüchtung im 20. Jh.

Datenbanken

Weltweit werden die Rebsorten katalogisiert und inventarisiert. Der grösste Katalog ist der VIVC Vitis International Variety Catalogue des Bundesforschungsinstituts für Kulturpflanzen und des Instituts für Rebenzüchtung Geilweilerhof, er wird seit 1984 geführt. In der Schweiz gibt es eine Datenbank an der Universität Lausanne (Swiss Vitis Microsatellite Database) und die Nationale Genbank PGREL. Diese umfasst Rebsorten, welche in der Schweiz entstanden oder gezüchtet wurden oder eine nationale, regionale oder lokale Bedeutung hatten. Die neusten Kreuzungen, bzw. Züchtungen sind jedoch noch geschützt, d.h. oft wird der Stammbaum dieser Neuzüchtungen bewusst unter Verschluss gehalten.

Mit einer kleinen Ausstellung versuchen wir, alte und neue, bekannte und unbekannte Rebsorten zu zeigen. Wir tauchen ein in die vergangene Welt der Ampelografen und in die neue Welt der modernen Rebzüchtungen.